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Deutsches Schiedsgericht für Pferderecht

Das Deutsche Schiedsgericht für Pferderecht informiert zum Thema Tierhalterhaftung: Wer haftet, wenn der Reitschüler das Reitschulpferd in Abwesenheit des Reitlehrers besteigt und dabei verunglückt?

OLG Hamm        12.04.2022 (Beschluss) Verfahrensgang vorher: LG Bielefeld, Urteil vom 06.08.2021   „Das Gericht hatte in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass es beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 06.08.2021 verkündete Urteil des LG Bielefeld durch Beschluss zurückzuweisen. Die Berufung wurde daraufhin zurückgenommen   Im vorliegenden Fall wollte die Klägerin (eine erfahrene Reiterin) schon bevor die Beklagte (die Reitlehrerin der Klägerin und Besitzerin des besagten Pferdes und weiterer Pferde) zugegen war auf das Pferd steigen um an einer Reitstunde teilzunehmen. Beim Besteigen des Pferdes bockte das Pferd und ging durch. Die Klägerin stürzte zu Boden und erlitt hierdurch schwere Verletzungen. Die Klägerin verklagte in der Folge die Beklagte auf Zahlung des materiellen Schadens, eines Verdienstausfalls, eines Haushaltsführungsschaden, eines Schmerzensgeldes und angefallener Fahrtkosten. Im Übrigen begehrte sie die Freistellung von der Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei ihr jeden weiteren materiellen und immaterielle Schäden aus dem Reitunfall zu ersetzen.   Im Beschluss des Oberlandesgerichts hieß es, dass die zulässige Berufung in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hätte. Dazu führte das OLG aus, dass das Landesgericht zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Klägerin dem Grunde nach gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz gemäß § 833 Satz 1 BGB hätte, da die Klägerin von dem Schulpferd, dessen Halterin die Beklagte sei, infolge des der typischen Tiergefahr eines Pferdes zuzurechnenden Buckelns beim Aufsteigen an der Gesundheit und ihrem Körper verletzt worden sei. Die Beklagte hätte sich nicht gemäß § 833 Satz 2 BGB entlastet. Nach § 833 Satz 2 BGB träte die Ersatzpflicht dann nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Welche Anforderungen an die verkehrserforderliche Sorgfalt zu stellen seien, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls und hinge insbesondere von der Gattung und den besonderen Eigenschaften des Tieres ab, die der Tierhalter kennt oder kennen muss, sowie den sonstigen Umständen ab, so das Gericht. Im vorliegenden Fall sei auf Grundlage des Vorbringens der Beklagten davon auszugehen, dass es der verkehrsüblichen Sorgfalt entsprochen hätte, der Klägerin beim Aufsteigen Hilfestellung zu geben und diese anzuweisen, nicht ohne ihre Hilfe aufzusteigen, da das entsprechende Pferd noch kein zuverlässiges Reitpferd sei und zwei Tage vor dem Vorfall bereits gebuckelt hätte. Die Beklagte hätte dieser verkehrsüblichen Sorgfalt aber eben nicht entsprochen, da sie eine entsprechende Anweisung an die Klägerin nicht bewiesen hätte, so das OLG in seinem Beschluss. Das OLG folgte dem LG dahingehend, dass ein hälftiges Mitverschulden seitens der Klägerin vorgelegen hätte. Eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters käme bei der Tierhalterhaftung unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Solch ein Ausnahmefall läge hier nicht vor, da es keinen Sorgfaltspflichtverstoß der Klägerin begründe, dass diese als erfahrene Reiterin alleine auf ein Pferd aufstiegen wäre, das zwei Tage vor dem Vorfall gebuckelt hätte. Ein über das hälftige Mitverschulden hinausgehendes Mitverschulden der Klägerin als Tierhüterin könne auch nach Auffassung des Senats nicht angenommen werden, da die Klägerin nicht als Tierhüterin anzusehen sei. Die strenge Haftung für vermutetes Verschulden setze dabei voraus, dass der Tierhüter ähnlich einem Tierhalter die Beherrschung der Tiergefahr eigenverantwortlich und selbstständig übernähme. Dies sei jedoch hier nicht der Fall gewesen. Gleichfalls hätte das LG nachvollziehbar offengelassen und nicht als bewiesen angesehen, ob eine Reitbeteiligung, die wiederum eine Tierhütereigenschaft begründe, vorgelegen hätte, so das OLG in seinem Beschluss.

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